In Auckland gelandet erwartete uns eine neue Art zu Reisen: Wir wurden von Patrick Mochel, einem langjährigen Freund von mir aus den USA abgeholt. Wir kennen uns noch von einigen Konferenzen her, auf welchen wir uns an vielen Orten dieser Welt immer wieder getroffen hatten und für diejenigen, die sich noch erinnern an den Ursprung der Weltreise: Pat ist auch die freundliche und hilfsbereite Person, welche mir vor gut einem Jahr in Kalifornien sein Auto zur Verfügung gestellt hatte. Er fuhr dieses Mal extra für uns von Wellington, wo er zur Zeit wohnt, nach Auckland. Pat wollte möglichst viel Zeit mit uns verbringen, da wir uns schon lange nicht mehr gesehen hatten und er bald zurück nach Amerika musste, um ein paar Dinge zu erledigen. Und wir wechselten wieder einmal zu einer weiteren Sprache: Englisch, oder im Falle von Neuseeland, Neuseeländisch.
Pat musste relativ schnell zurück nach Wellington, um aus der Wohngemeinschaft auszuziehen und sich auf die Reise nach Kalifornien und Oregon vorzubereiten. Also entschieden wir uns, so schnell als möglich Richtung Wellington zu fahren und dann zuerst die Südinsel von Neuseeland zu erkunden und dann langsam wieder zur Nordinsel zu fahren, um Pat dann am 17. April in Auckland abzuholen. Ursprünglich hatten wir auch nur 5 Wochen geplant, aber nach einigen Diskussionen mit Pat kristallisierte sich schnell heraus, dass wir falls möglich noch etwas zusammen den nördlichen Teil oberhalb Auckland bereisen würden. Also verlängerten wir unseren Aufenthalt in Neuseeland auf insgesamt fast zwei Monate (im Nachhinein beurteilt würde dies knapp für eine der beiden Inseln reichen).
In Neuseeland ist uns in den ersten Tagen vieles aufgefallen, was wir uns früher aus Erstweltländern gewohnt waren und auf der langen Reise bis hierhin irgendwie nie mehr so richtig erfahren hatten. In den folgenden Berichten über unsere Rundfahrt mit Pat's Auto werden einige dieser Erstweltland-Qualitäten erwähnt werden. Er hat uns wiederum sein Auto zur Verfügung gestellt und uns somit einige Kosten für das Mieten eines Autos erspart, welche leider in Form von Reparaturen wieder auftauchten.
Neuseeland verbinden wir eigentlich mit Qualitätstourismus (Qualmark als Index), exzellentem Tourismusmarketing (i-Site ist ein Vorbild für Marketingbücher, vor allem was das CI/CD angeht, inkl. der von der DOC erstellten POI Tafeln), generell sehr freundlichen und relaxten Leuten, wunderschönen Landschaften, interessanten Tieren, sehr guten Wellen und einer etwas übertriebenen Ansicht von Abenteuerangeboten. Zum letzteren möchte ich nicht viel aussagen, ausser, dass meiner Meinung nach die Angebote bezüglich Outdoor-Aktivitäten hier in Neuseeland überteuert und überbewertet sind. Das mag vor 5-10 Jahren nicht der Fall gewesen sein, aber Imageschübe wie Lord of the Rings, gezielte Tourismuspenetration in Europa und rundum zufriedene Besucher der beiden Inseln veranlassten einige Veranstalter solcher Aktivitäten das alte Prinzip der Preiserhöhung ohne wesentlicher Inhaltserweiterung anzusetzen. Wie es sich durch ein interessantes Gespräch mit einem i-Site Angestellten in Queenstown herausstellte, gibt es rund ein halbes Dutzend Anleger und Mitverdiener, die sich den grossen Teil des Tourismuskuchens abschneiden und dann vermutlich ihre Häuser in Russell und Umgebung aufstellen ;). Leser, die mehr Erfahrungen mit Neuseeland haben, mögen mich da gerne in den Senkel stellen.
Wir fuhren also der SH1 (die Nationalstrasse quer durch Neuseeland) entlang möglichst zielstrebig nach Wellington. Schon auf der Fahrt fiel uns die wunderschöne Natur entlang dieser Schnellstrasse auf und wir versuchten zu erahnen, wie schön wohl Neuseeland sein würde; wir lagen falsch, Neuseeland ist im Nachhinein gesehen noch viel schöner, als wir es uns es jemals erdacht hatten. Und es ist so einfach und sicher zu bereisen, wie ich es selten erlebt habe. Natürlich sind auch durchschnittlichen täglichen Kosten um einiges höher.
Pat wollte nicht den kompletten Weg (ungefähr 7-8 Stunden Autofahrt) bis hinunter nach Wellington am verbleibenden Tag machen und wir dankten es ihm. Nicht, dass uns Reisen von mehr als 14 Stunden etwas ausmachen würden nach Südamerika, aber die Sonne schien so nett auf uns herunter, dass es schade gewesen wäre, an allen Städten einfach so vorbeizubrausen ohne zu halten. Wir machten in Taupo unseren Übernachtungshalt und Sebnem und ich konnten uns kaum mehr von den schönen Zimmern mit den schönen und bequemen und gut duftenden und bezogenen Betten erholen. Pat war etwas verdutzt über unsere kindliche Freude beim Eintreten in die Jugendherberge, aber für uns war dies eines der schönsten Unterkünfte seit Beginn der Weltreise. Im Nachhinein gesehen war diese Unterkunft im oberen Mittelsegment anzugliedern. Der Qualitätsunterschied der billigsten Unterkünfte in Neuseeland mit guten günstigen Unterkünften in den meisten Ländern Südamerikas ist frappant.
Taupo an sich ist ein sehr ansehnliches Städtchen, welches aber schon zu fest von Touristen überlaufen ist. Nach einem sehr guten Mahl von Pat, der sich als ein Gourmetkoch entpuppte, schliefen wir ziemlich erschöpft in den uns so bequem scheinenden und gut duftenden Dormbetten ein. Am nächsten Tag fuhren wir weiter Richtung Süden, Wellington entgegen. Wir machten einen kurzen Kaffeehalt in Bulls (Pat entpuppte sich auch als Kaffeesüchtiger) und fuhren dann unspektakulär direkt nach Wellington. Genauer gesagt ins Stadtviertel Kelburn von Wellington, welches sich leicht in der Anhöhe befindet und eine wunderbare Sicht über Zentral-Wellington und das Meer bietet.
Wellington hat uns auf den ersten Blick gefallen und in der WG, in welcher Pat wohnte, fühlten wir uns auch pudelwohl. Wir machten uns in den folgenden Tagen schnell mit der Umgebung von Kelburn vertraut, wobei wir unter anderem Amanda kennen lernten, die ein Kaffee führte. Gleich nebenan liegt die Weinboutique Glengarry Wines, wo Pat's Mitbewohner Kieran Clarkin als Weinspezialist und Comicbuchfan wohnt und uns jeden Abend einen neuen Wein zur Degustation nach Hause brachte. Praktischerweise lag auch der obere Eingang des botanischen Gartens bei Kelburn. Dieser ist relativ klein, gratis und eine Möglichkeit, zu Fuss in die City zu gelangen. Es fährt auch noch eine Zahnradbahn von der Stadt hoch ins Stadtviertel Kelburn, aber der rund 20 Minuten dauernde Fussmarsch durch die schönen Gärten und die intakte Natur erscheint mir eigentlich ziemlich optimal nach einem langen Arbeitstag in Wellington City. Zudem spart man sich die Kosten für ein Vehikel.
Die öffentlichen Verkehrsmittel sind sehr gut ausgebaut in Wellington und generell hat Wellington sehr europäische Züge. Es fällt einem sofort die relaxte Atmosphäre auf, die die Wellingtoner erzeugen. Hinzu kommen die unzähligen kleinen Kaffees, welche Wellington das Flair einer italienischen Kleinstadt geben.
Wir verbrachten gut fünf Tage in Wellington und kehrten im Verlauf der Neuseeland Rundreise wieder zurück nach Wellington für zwei Nächte. Dies bot uns die Gelegenheit, diese Stadt etwas näher kennen zu lernen. So haben wir an verschiedenen Tagen zu Fuss die Innenstadt besucht. Der Hafen, die Cuba-Strasse und das Zentrum der Stadt sind wohl die ersten Sehenswürdigkeiten, die man besuchen möchte bei einer Citytour in Wellington.
Was natürlich nicht fehlen darf, ist ein Besuch des Te Papa Tongarewa Museums beim Hafen. Es ist für mich das schönste Museum, welches ich je in meinem Leben irgendwo besucht habe. Nebst der Kultur und Historie des Landes (mehr zum Inhalt auf der Homepage) werden verschiedene themenspezifische Gebiete ausgestellt und mit sehr viel Ingenieurskunst animiert. Die Architektur des Museums und dessen Objekte alleine lohnen sich schon für einen Ausflug.
Am zweiten oder dritten Tag machten wir eine Sonntagnachmittag Rundfahrt den Stränden Wellingtons entlang. Dabei fuhren wir dem Oriental Bay entlang zum Shelly Bay, Karaka Bay, Worser Bay, Seatoun, Breaker Bay und zum Lyall Bay, wo wir auf den Haussurfstrand von Wellington trafen. Dieser befindet sich am Ende der Flugbahn und bietet somit beim Surfen eine spezielle Kulisse mit startenden und landenden Flugzeugen knapp über den Kopf währenddem man versucht nicht von der heranbrausenden Welle verschlugen zu werden; eine ähnliche Situation zu N'Gor Insel bei Dakar in Senegal. Fährt man dem Queens Dr entlang gelangt man dann unweigerlich zum Houghton Bay, welcher bei korrekten Wind und Swell Verhältnissen optimale Surfkonditionen bietet. Das schöne an Wellingtons Surfstränden ist, dass man zu einem gegebenen Tag immer an einem der fast an 270° erstreckenden Ufer surfen kann. Meist jedoch sind die Wellen nicht so gut und auch ziemlich schwach.
Natürlich passierte mir auch am ersten Tag mit Pat's Auto ein kleines Missgeschick. Die Problembeschreibung ist einfach: Logischerweise fährt man ja in Neuseeland auf der linken Strassenseite. Der gewiefte Leser kann sich in etwa vorstellen, was wir dem armen Reifen von Pat's ausgeliehenem Auto antaten. Leider noch etwas ungeübt mit dem Einhalten des korrekten Abstandes vom linken Strassenrand und beschäftigt mit Ausschau halten nach guten Wellen dem Strand entlang brausend, einen Arm, wie jeder echte Italiener auf der rechten Seite aus dem Fenster hinausgelehnt, versuchte ich das etwas unvorteilhafte Lied, welches der IPod gerade von sich gab zu überspringen. Dies sehr zur Missmut von Sebnem, die das Lied wirklich gerne hören wollte und sich natürlich entrüstet wehrte. Ich versuchte also, den IPod so zu manipulieren, dass dieser wieder das ursprüngliche Lied von sich gab, wohl bemerkt uns langsam näher an die linke Strassenseite manövrierend. Irgendwann wurde der Abstand gleich Null und es gab einen fürchterlichen Knall und ein hässliches Schleifgeräusch und wir hoben etwas von der Strasse ab. Ein gekonnter Blick in den Rückspiegel sah noch, wie eine grosse Staubwolke und Splitter die Strasse Richtung Strand verliess und weg war die Schutzkappe unseres Vorderrades und wie es sich herausstellte war auch der Reifen mit tiefen Furchen penetriert worden. Wir fuhren zurück zu Pat und beichteten ihm alles und er meinte nur, dass ihm das auch oft passierte, als er die ersten paar Tage in Neuseeland herumkurvte; glücklicherweise musste das Auto sowieso zur Frontscheibenreparatur zum Toyotahändler gebracht werden und wir fügten der Reparatur auch gleich noch zwei neue Reifen hinzu.
Am 17. März feierte ich meinen Geburtstag und Sebnem war natürlich die erste Person, die mir gratulierte am Morgen früh und mir Happy Birthday vorsang. Wir schliefen beide auf je einer Couch im äusserst kalten Gemeinschaftsraum mit einem elektrischen Öfelchen, welches sich beim Betrieb in ein Fussballstadium Flutlicht verwandelte. Der Tag an sich verlief sehr gemühtlich mit einem Kaffeestart bei Amanda's Kaffee und dem Organisieren von der Weiterreise. Am Abend überraschte mich mein Freund Pat mit einer Einladung ins Matterhorn Restaurant an der Cubastreet und anschliessenden Biertrinken und Billardspielen in dem daneben liegenden irischen Pub. Das Essen war eigentlich nur sehr teuer, aber nicht wirklich dem Preis entsprechend schmackhaft. Pat erlaubte sich noch, zwei weitere weibliche Begleiter einzuladen, welche beide ehemalige Geliebte von ihm waren, es jedoch nicht voneinander wussten. Das Pub war komplett voll mit extrem betrunkenen Leuten, weil diese den St. Patrick's Day feierten; wir gesellten uns jedoch für einmal nicht zu Trinkern und verliessen das Pub frühzeitig.
Am Tag unserer Überfahrt zur Südinsel brachten wir unseren Toyota Camry zur Reparatur und kriegten eine neue Windschutzscheibe und zwei neue Reifen pünktlich fertig damit wir genau noch Zeit hatten, um auf die Interislander Fähre zu gelangen. Das System ist extrem simpel und am besten bucht man die Überfahrt per Internet. Es gibt zwei Anbieter (Blue Bridge und Interislander) von Überfahrten zwischen der Nord- und Südinsel und beide sind in etwa gleich teuer. Die Überfahrt kostet rund NZ $130-$200 für einen Kleinwagen und den Fahrer; allfällige weitere Mitfahrer bezahlen zusätzlich. Die Preise sind stark abhängig von Hoch- und Niedersaison und natürlich auch von temporären Promotionen. Wir fanden diese Überfahrt ziemlich teuer, es wurde uns jedoch erklärt, dass es früher noch schlimmer war, als nur die eine Schiffsgesellschaft die Überfahrt durchführte.