Buenos Aires war für uns so eine Art Hafen für weitere Reisen in den Süden Argentiniens, dem Strand entlang, nach Uruguay und auch der Ort, an welchem wir Weihnachten und Neujahr verbrachten. Den Neujahrsbericht [LINK] haben wir vor Längerem geschrieben und veröffentlicht. Die Stadt an sich bietet viele interessante Orte, die man entdecken kann, aber während unseren Aufenthalten fanden wir selten etwas, was uns wirklich aus den Socken haute. Da sind für mich zumindest Städte wie Santiago de Chile oder Lima in Peru um einiges Interessanter.
Den ersten Aufenthalt in Buenos Aires verbrachten wir in der zweiten Dezemberwoche, nachdem wir uns früher als geplant von Chile verabschiedeten; wetterbedingt muss man hier anfügen. Da wir uns sofort nach einem Auto umgeschaut hatten und auch ein akzeptables Angebot fanden, führten wir den Roadtrip der Atlantikküste Argentiniens [LINK] entlang durch. Während dieser Zeit logierten wir, wir auch die anderen Tage (ausser über Neujahr), im sehr empfehlens- und preiswerten Gran Hotel Oriental, einen Quader vom Kongressgebäude entfernt. Telefon, Kabelfernseher, Heizung, inkl. Frühstück, an der Bartolomé Mitre 1840 situiert, Tel 4951-6427, ghoriental@hotmail.com, $30 USD pro Nacht ein Doppelzimmer.
Wir lernten die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Angestellten zu schätzen und freundeten uns sofort mit ihnen an. Dies ermöglichte uns einige zusätzliche Goodies, welche andere Gäste nicht hatten: Beliebig viele Medialunas (die argentinische Version eines Croissants), das schönste und neuste Zimmer mit der Nummer 309 ganz hintern am Flur im zweiten Stock mit sporadischem Wifi-Internetanschluss und sofortige Unterstützung, falls wir etwas gebrauchten. Leider kennen sich die Angestellten nicht so gut aus in Buenos Aires und somit waren wir schon bald die Anlaufsstelle für Fragen bezüglich Sehenswürdigkeiten, wenn neue Touristen ankamen. Zusätzlich konnten wir Englisch-Spanisch-Deutsch übersetzen und organisierten dem Hotel einige Stadtkarten. In den ersten drei Tagen unseres Aufenthalts besuchten wir nur die nähere Umgebung und suchten uns die besten Orte für Internet, Food, Wäscherei und Lebensmittel aus. Wir würden ja bald wieder zurückkehren.
In unserem Stadtviertel (Centro oder Congresso) gibt es folgende Empfehlungen: Das Restaurant Cervantes einen Block weiter um die Ecke, um leckere nicht zu bewältigende Mahle zu sich zu nehmen. Nebenbei sind die Preise sehr fair. Ein weiteres Lokal, welches halb Fastfood halb Restaurant ist, ist das Restaurant Americana. Dieses Lokal wurde mein persönlicher Favorit bezüglich der Pizzas (besonders die Napoletana Completa). Die Pizzas gehören wirklich zu den besten, die ich je gegessen habe und dementsprechend haben wir während unseren Aufenthalten in Buenos Aires sicher rund ein Dutzend Male eine Pizza verdrückt. Was zudem eindrücklich ist, ist die Arbeitsgeschwindigkeit der Angestellten in diesem Laden und das hektische, stets freundlich und sarkastische, überaus organisierte Treiben dieser; es wird der Vorstellung rund einem Dutzend Aldi-Kassendamen auf voller Geschwindigkeit die Artikel in der Kasse erfassend gerecht.
Und weil Moni meine Exkurse so liebt, schweifen wir hier doch gleich ein bisschen ab, damit ich den bizarren Moment beschreiben kann, in welchem wir uns bei der Erfassung dieses Artikels befinden: Rechts neben mir sitzt wie so oft Sebnem und schreibt in der von Moni liebevoll gestalteten Agenda Notizen über unseren letzten 11-tägigen Aufenthalt hier auf der Insel Florianopolis. Die Dame links neben mir ist soeben erleichtert aufgestanden, weil es im Warteraum nur zwei Fernseher gibt und der eine genau über ihrem Kopf hängt und der andere wohl zu weit weg war für ihre zarten Augen. Sie sitzt jetzt gegenüber von mir und starrt gebannt auf die Flimmerkiste und verfolgt eine brasilianische Soap-opera wie die anderen 30 Wartenden. Nichts kann diese Leute aus ihrem Bann bringen, so versessen scheinen die hier auf Fernsehen zu sein. Aber das ist nicht nur eine Krankheit der Brasilianer, nein, beide Amerikas scheinen dem Bann dieser Shows verfallen zu sein. In Nordamerika wenigstens scheinen sicher weniger Leute wegen eines obligatorischen Kaufs des Fernsehers in Schulden zu stürzen als in Südamerika. Der Kauf eines Autos und einer Flimmerkiste ist ein Statussymbol der meisten Südamerikaner. 20:05, letzter Aufruf für den Bus der Gesellschaft Catarinense nach Sao Paulo. Einige Leute können sich losreissen und spurten dem Ausgang entgegen. Schräg gegenüber sitzt ein junger Typ mit lustigen Krausen und versucht den Rubikwürfel zu bezwingen, ziemlich erfolglos wie ich anmerken möchte. Die Leute hier in Brasilien reisen allgemein mit sehr wenig Gepäck, anders als in anderen Ländern Südamerikas und so erstaunt es nicht, dass wir etwas verwundert angeglotzt werden. Unser Bus ist hier, somit schweife ich wieder zurück zum Buenos Aires Bericht.
Möchte man Buenos Aires mit dem Fahrrad erkunden, kann das sehr teuer ausfallen, ausser man bequemt sich ins Stadtviertel Palermo, wo sich der Milenium Bike (Bonpland 2215, Palermo, Cap. Fed.) Shop befindet. Diese netten Leute bieten einem gute Preise, vor allem, wenn man sich entscheidet für mehrere Tage ein Vehikel zu mieten.
Was wäre Buenos Aires ohne den Besuch einer Tangoshow. Buenos Aires strotzt gerade von Angeboten dieses Genres und brüstet sich die Metropole und die Wurzelstadt des Tangos zu sein; letzteres dürfte gemäss einigen Historikern jedoch eher Montevideo sein. Da wir bei Fernem Tango-Experten sind, können wir das nicht beurteilen. Falls man sich in den verschiedenen Tangostilen auskennt, dann kann man sicherlich in den unterschiedlichen Stadtvierteln, wo sich Tangoschulen mit verschiedenen Stilen etabliert haben, genau das Richtige für einen buchen. Ein Beispiel sei hier erwähnt:
Die Tangoshow am Astor Piazzolla Theater ("Piazzolla Tango", http://www.piazzollatango.com/). Die Show kostet mit Essen pro Person $80 USD, ohne Essen $60 USD. Sie beherbergt einen luxuriösen Raum, offeriert gutes Essen und natürlich eine Show mit Tango-Tänzern und professionellen Sängern. Zu finden zentral an der Florida 165 / San Martin 170, Galeria Güemes.
Wir haben uns an unseren letzten Tagen des letzten Aufenthalts in Buenoes Aires um den Besuch einer solchen Tangoshow gekümmert und nach einigem Herumirren und Umherfragen bei der lokalen Jugend wurden wir mehrheitlich auf die erschwingliche und sehr traditionelle Tangoshow im berühmten und nostalgischen Cafe Tortaloni aufmerksam gemacht und entschlossen uns kurzerhand so eine Show zu reservieren. Die Reservation sollte genügend früh gemacht werden. Die Show läuft jeden Tag, aber die Unmenge an Touristen, welche das gleiche Ziel haben ist überraschend, wenn es um Reservationen geht. Am besten reserviert man sich gute Plätze (vorne an der Bühne im unteren Saal, man kann sich die Sitzverteilung anzeigen lassen) mindestens einen Tag vorher. Der Preis liegt bei rund $??? USD. Das Geld ist es allemal wert. Die Tangoshow liefert einem ein farbenfrohes Potpourri aus Gesang, Tangotanz, abwechslungsreicher melancholisch, tragisch und komödiantisch vorgetragener Schauspielkunst, welche die geschichtliche Entwicklung des Tangos in einem typischen Stadtviertel um die letzte Jahrhundertwende herum in Buenos Aires aufzeigt. Untermalt wird das ganze musisch von einem professionellen Quartett (Viola, Kontrabass, Klavier und Ziehharmonika) der lokalen Tangoschule. Die Show dauert ungefähr 90 Minuten und verlangt von den Künstlern einiges ab und bietet noch einige Schmankerl zwischendrin, welche ich an dieser Stelle nicht preisgeben möchte. Ich war zuerst sehr skeptisch der Show gegenüber, aber Sebnem hat mich eines Besseren belehrt und ich bin ihr sehr dankbar dafür, dass sie so stur auf den Besuch beharrte.
Grosse Städte sind logischerweise in Stadtviertel eingeteilt; das ist in Buenos Aires natürlich auch der Fall und da wir ja so oft und relativ lange in dieser Stadt verweilt haben, hatten wir auch eine bessere Möglichkeit, einige Stadtviertel zu Fuss zu erkunden. Buenos Aires ist je nach Ansicht und Ort eine relativ sichere Stadt. Wie in jeder Grossstadt gibt es immer irgendwo Delinquenten und potentielle Gefahren. Hält man sich aber an die Grundregeln der sicheren Fortbewegung von Touristen in fremden Städten, sollte einem eigentlich nichts passieren. Für uns definitiv sehenswerte und auch sehr sichere Stadtviertel waren in Buenos Aires: Centro, Palermo, Recoleta, Once, San Telmo und Puerto Madrino (das Reichenviertel).
Im Centro kann man einige historische Gebäude betrachten. Zudem befindet sich dort die Shoppingmeile Florida und ein sehr grosses Bankenviertel. Das Stadtviertel San Telmo, welches viele Tangoschulen und dementsprechend Tangoshows bietet, ist gut zu Fuss zu erreichen und bildet die Brücke zum Puerto Madrino, wo die Reichen und (eventuell) Schönen der Stadt ihre Behausungen haben. Die Wolkenkratzer und Loft-Wohnungen sind rund um das Hafengelände situiert und top-modern gestaltet. Man kann den Reichtum der dort wohnenden Menschen sehr gut vorstellen. Der Loft-Baustil ist ähnlich zu Stadtvierteln wie zum Beispiel Zürich Kreis 5 oder zu Portland, Oregon, wo alte Backsteinfabriken, Bierbrauereien oder Giessereien halb abgebrochen und in Lofts umfunktioniert werden. Wer sich kulinarisch verwöhnen lassen will, der kann entlang der sündhaft teuren Lofts in Puerto Madrino in eines der Schickimicki Lokale eintreten und sich mondän kulturell den Bauch voll schlagen. Eine interessante kulinarische Alternative bietet jedoch das entfernte Stadtviertel Palermo, welches sehr gute (und viele italienische) Restaurants besitzt. Leider fehlte uns die Gelegenheit, einmal in diesem Stadtviertel essen zu gehen. Prinzipiell steigt man bei der Plaza Italia aus und läuft südwestlich. Nicht zu verpassen dort angegliedert befinden sich der wunderschöne botanische Garten mit Dutzenden von Katzen (wie man auf der Bilderreihe bei uns sehen kann, gibt es sogar halbe Tiger) und der kleinere der beiden Zoos von Buenos Aires.
An einem Tag entschieden wir uns noch den beeindruckenden und riesigen (man könnte sich vermutlich darin verirren) Friedhof mit prunkvollen meterhohen Grabstätten im Stadtviertel Recoleta zu besuchen. Was auch noch sehr interessant ist, ist ein Besuch im Palacio de las Aguas Corrientes (Palace of Running Waters). Das Gebäude ist insofern imposant, als dass es im letzten Jahrhundert als zentraler Wasserspeicher für die ganze Stadt diente. Ein Museumsbesuch mit exzellenter mehrsprachiger Führung ist möglich, wenn man fragt. Mehr Informationen findet man unter http://www.aysa.com.ar/.
Wir haben in Buenos Aires sehr viele Dinge für unsere Weiterreise organisiert und waren auch sehr oft unterwegs, um ein neues Stadtviertel zu erkunden. Ein letzter Hinweis für einen sicheren und guten Transfer zwischen der Stadt und dem Flughafen: Manuel (Tel.: 15-5060-4727). Ein junger tüchtiger und sehr netter Typ.
Wir würden vermutlich nicht mehr so schnell wieder nach Buenos Aires zurückkehren, ausser um gute Verbindungen in benachbarte Länder zu haben oder um einen weiteren Besuch in Argentinien durch zu führen. Die Stadt wirkt nur in wenigen Teilen optimal gestaltet und organisiert. Es gibt etliche Parks, diese sind jedoch meiner Meinung nach nur durchschnittlich unterhalten. Nach Städten wie Santiago de Chile, Lima oder Medellin fehlt mir das Grüne ganzer Alleen. Die Leute in Buenos Aires sind nach unserer Erfahrung fast ausschliesslich sehr hilfsbereite, arbeitswillige und lustige Leute, so wie in ganz Argentinien. Leider scheint das schöne Land etwas Pech mit der Regierung zu haben und man hüte sich die falschen Leute in Buenos Aires auf die Regierung anzusprechen; die Diskussion kann sehr schnell in ein Wortgefecht hitziger Argumente ausarten. Die Leute der Arbeiterschicht (vor der Deevaluierung des Pesos im 2000 zur oberen Mittelschicht gehörend) sind verständlicherweise sehr verbittert über die situationsbedingte Regierung der Familie Kirchner. Überall hört man die gleichen Geschichten: Über Nacht wurde der Dollar zum Peso auf 1:1 gesetzt und hat somit Tausende von Familien in Argentinien unter die Armutsgrenze geschickt.
Was die Leute zusätzlich verärgert scheint die Tatsache zu sein, dass zwei Monate vor dieser Deevaluierung die Reichen Familien in Argentinien gewarnt wurden uns somit die Möglichkeit hatten den Kursverlust durch temporäres Abstossen der landeseigenen Währung und späteren Rückkauf elegant zu überbrücken. Das Trauerspiel sieht man jede Nacht in ganz Buenos Aires. Überall liegen Heimatlose herum, unzählige Leute durchwühlen den Abfall der Gesellschaft, nicht jedoch auf Essen, sondern auf alles, was recycelt werden kann: Pet-Flaschen, Glas, Karton und Metall. Bezahlt wird pro Kilo getrenntem Müll, die Leute sind flink wie die Wiesel und sehr organisiert. Einige Strassenhelfer gehen voraus und sammeln die zu verwertenden Objekte in grosse Kulis, Kollegen fahren sporadisch mit dem Lastwagen vorbei und laden den Müll auf, um ihn bei einer der städtischen Recycling-Anlage auf der Waage gegen Geld einzutauschen.
Wie fast überall in Südamerika in der Arbeiterschicht genügt es nicht, dass beide Elternteile einen Job haben, irgendein einem Nebenverdienst gehen die meisten nach und das Sammeln von wieder verwertbarem Müll scheint lukrativ genug zu sein. Im Morgengrauen, wenn der Abfall durch das Durchwühlen der Menschen und in zweiter Instanz den herrenlosen Tieren schön gleichmässig auf den Strassen Buenos Aires verteilt ist, öffnen die Zeitungskioske ihre Türen und auf dem Titelbild sieht man die frisch gekürte Präsidentin Kristina Kirchner, wie sie das Amtszepter vom alten Präsidenten, ihrem Mann, feierlich übernimmt und eine für die Politiker Südamerikas typische alles verbessernde Rede hält. Unten rechts auf der zweiten Seite sieht man dann den chronologischen Ablauf der nahen Besuche und Reisen der Staatsfrau in andere Länder, um mit den anderen mehr oder minder gleich gesinnten Staatsoberhäuptern über irgendwelche futuristische Ideen zu diskutieren.