Samstag, 20. Oktober 2007

Adieu Lima

Nach unserem Roadtrip in die Pampa sind wir wieder zurück in das gleiche Hotel in Schell gefahren. Wir kamen einen Tag früher als geplant zurück nach Lima; einerseits zog es uns wieder in die Zivilisation, andererseits war unser Auto heftig beschädigt. Nebst dem kleinen Zwischenfall in den Bergen hatten wir zusätzlich einen ziemlich beschädigten Auspuff und als wir kurz vor Lima waren, fiel ein Stück Eisen von einem vor uns fahrenden Lastwagen und ich fuhr prompt darüber. Das linke Vorderrad war danach stark lädiert, jedoch konnten wir noch sicher nach Lima fahren. Ich bin ja schon in einigen Ländern und Städten dieser Welt Auto gefahren, aber Lima stellte eine neue Herausforderung dar, da wir mitten in die Rush Hour kamen, nicht wussten, wohin wir fahren sollten (die Panamericana umschliesst Lima, und wir mussten ja in den Stadtteil Miraflores, welcher einige Kilometer von der Panamericana entfernt war) und die Autofahrer in Lima Palermo en gros gleichen. Irgendwann hat dann Sebnem doch noch eine Stadtkarte gefunden (der Innenraum eines Fiats kann erstaunlich gross sein) und wir konnten den Stadtteil Miraflores einkreisend erreichen; natürlich nicht bevor wir noch ein halbes Dutzend Male in die falsche Richtung gefahren sind. Wenn man einmal in Miraflores ist, so scheint es mir, dass es ziemlich einfach ist, sich zu orientieren, da dieser Stadtteil ans Meer angrenzt und man ihn als Tourist sicherlich am besten kennt. Trotzdem ist die Einbahnsituation etwas tricky. Wir konnten ins gleiche Hostal zurück, in welchem wir schon vor einer Woche logiert hatten. Als wir das Auto abgaben, staunten die nicht schlecht über den Zustand des Autos, aber wie es sich später herausstellte, mussten wir nichts für den Schaden bezahlen, wurden jedoch auf spezielle Art „über den Tisch gezogen“: Wir hatten ein Angebot 5 für 7, was bedeutete, dass wir 5 Tage bezahlen und das Auto 7 Tage fahren können. Jeden Tag darf man 200km fahren (ist so in Peru, wenn man ein Auto mietet) und somit dachten wir, dass wir 1400km franko hatten. Tja, was wir aber nicht beachteten, war die Tatsache, dass weil wir das Auto am sechsten Tag zurückbrachten, wir nur 1200km gut geschrieben bekamen und den Rest teuer bezahlen. Wir wussten, dass wir 0.26 cents pro km bezahlen mussten, aber mit 200km mehr auf dem Konto. Nun gut, wir bezahlten dann etwa $65 USD mehr, dafür mussten wir für den Schaden nicht aufkommen.

Zurück zum eigentlichen Grund dieses Blogeintrages. Wir werden Lima sehr vermissen, da wir uns unglaublich wohl gefühlt haben in dieser Stadt. Der Grund dafür war einerseits die Schönheit des Stadtteils Miraflores mit dessen Anbindung an das Meer und dem einmaligen Shopping Mall Larcomar und andererseits das Essen. Es gibt nämlich in Miraflores den Vivanda Einkaufladen, welcher in etwa mit dem Globus Delikatessenladen zu Migrospreisen zu vergleichen ist. Die Selektion an Produkten (vor allem bezüglich Fleisch und Käse) und deren Qualität aus aller Welt ist unglaublich. Hier sieht man einmal, dass der Import nicht so wie in Europa oder den USA mit so hohen Margen belegt sein muss.

Was auch sehr speziell in grösseren Städten Südamerikas (nicht so sehr in Zentralamerika und schon gar nicht im etwas unter entwickelten Costa Rica) und vor allem in Lima ist, sind die Angebote im Bereich Unterhaltungselektronik und der Service bezüglich Elektronik. In Lima gibt es in dieser Einkaufssparte eigentlich nur einen Ort, wo man hin will: Compuplaza im Lima Centro. Da findet man die Sortimente von Brack, COS, Digitec und Interdiscount zusammen in einem Riesenkomplex von hunderten von feilschenden Händlern. Nun kommt dem bewussten Schweizer Einkäufer natürlich sofort der Zweifel der Qualität: Richtig, wenn man nichts von Elektronik versteht, sollte man dort auch nicht einkaufen gehen. Die Preise sind bei Qualitätsware etwas über den Preisen der billigsten Elektronikanbieter auf dieser Erde: USA, Japan, Korea und der Schweiz (soweit ich zu vergleichen vermag). Wir haben uns prompt entschieden unserem kleinen Laptop etwas Feuer unter dem Arsch zu machen und haben ihm zwei brandneue Kingston 1GB Speichermodule für $140 USD vermacht. Damit können wir jetzt besser mit dem Word arbeiten J (für unsere technisch versierten Leser: Wir arbeiten mit der Adobe Produktepalette, haben Videokonvertierungsjobs am Laufen und parallel läuft eine VMWare Linux Instanz mit 1GB Speicherzuordnung). Vor dem Kauf konnten wir die Module ausgiebig testen (Cpu-Z und Latenzmessungen bezüglich FSB-Synchronisation) und uns von der Echtheit der Speichersteine persönlich überzeugen. Nichts gegen Digitec, aber versucht mal bei einer Filiale euren Laptop aufzuschrauben, um die RAMs zu testen. Des Weiteren hatten wir wieder einmal Lust auf ein paar Filme in DVD Qualität. Nichts leichter als das. Für rund $1 USD bekommt man einen Film auf DVD, wenn man handeln kann, ein paar Prozente billiger, je nach dem wie viele man kauft. Es ist interessant und traurig zugleich zu sehen, dass die MPAA in Südamerika absolut keinen Einfluss auf das Tagesgeschäft der Raubkopierer hat. Das Raubkopieren in Südamerika hat solche Ausmasse an Vernetzung und Korruption angenommen, wie sie zu den guten 70er und 80er Zeiten im Kokaingeschäft zu sehen war (der Dank gebührt hier Captain John, der mich mit den fehlenden Details beliefert hat). Wir waren einen Tag vor dem Besuch im Compuplaza im Kino am Larcomar und sahen uns die Premiere von Resident Evil 3 an. Wie gesagt waren wir am folgenden Tag in diesem Unterhaltungselektronik Shoppingkomplex und konnten schon perfekte DVD Kopien dieses Films auf einigen LCD-Leinwänden erblicken; zu kaufen natürlich für $1 USD mit zwei Tonspuren, 5.1 Dolby English und 2.0 Stereo Spanish, englischen und spanischen Untertiteln in perfekter DVD-5 MPEG2 Qualität (VBR 6500-8500kbit/s Streamrate); zum Vergleich: Der günstigste Kinoeintritt im Larcomar Kino wäre dienstags und kostet umgerechnet $2.80 USD pro Person. Es ist also kein Wunder, dass die Kinosäle die meiste Zeit leer sind in Südamerika. Bezüglich Kinos wollte ich sowieso noch etwas loswerden, für die Leute, die bis anhin nur in der Schweiz im Kino waren. Man kann im Ausland einen Film in kompletter Länge geniessen und es wird nicht für eine behinderte Pinkelpause und obligatorischem Glaceverkauf unterbrochen. Für Kino-Puristen wie mich (fragt Sebnem, wie schnell es für mich nicht mehr in Ordnung ist, einen Film zu schauen) ist das Kino in der Schweiz meistens eine Qual. Da können die einen Film wie Starwars oder Lord of the Rings mitten drin einfach unterbrechen und die Leute beklagen sich nicht einmal, sondern gehen raus und rauchen oder pinkeln oder kaufen sich Esswaren ein, die man vorher schon hätte einkaufen können. Wer ein renales Problem hat, sollte sich einen Katheter (habe da ja schon etwas Erfahrung) stecken oder nichts trinken J. Zurück zum DVD-Raubkopieren: Wie ich mutmassen kann, funktioniert das hier so, wie halt fast alles funktioniert, wenn es flexibel, schnell und mit gewinnbringendem Ausmass erledigt werden muss, der Korruption. Dies sieht dann in etwa so aus, dass die Kinobetreiber, welche die Filmspulen legal von der MPAA oder anderen Institutionen erwerben, diese gleich auch den professionellen Videogangs zum Kopieren zur Verfügung stellen; ich kann mir sogar vorstellen, dass letztere das notwendige Geld zum Einkauf dieser Spulen zur Verfügung stellen. Die DVDs werden über Nacht gepresst und sogleich an die Händler vertrieben. Wir konnten Zeugen dieses Teils der supply chain in Guayaquil werden, als am Morgen am helllichten Tag ein grosser LKW an einer stark befahrenen Strasse hielt und mehrer Packleute handliche 100-er Packungen mit DVD-Raubkopien in eine kleine Nebengasse schleppten. Langer Rede kurzer Sinn: Es interessiert hier absolut niemanden, das die Filme in Form von Raubkopien kommen, das einzig was zählt ist der Preis und der stimmt; so auch für uns und wir haben uns mit einigen Neuheiten eingedeckt. Interessanterweise gilt es noch zu erwähnen, dass einige Filme doch sehr schwierig in DVD Qualität zu erwerben sind, wie zum Beispiel Pirates of the Caribbean Teil 3, welchen wir erst seit wir in Peru sind in guter Qualität sehen konnten – im Kino läuft er schon lange nicht mehr oder ist „doblado“, was zu gut Deutsch ??? heisst.

Wir kehrten zufrieden zurück zum Hotel, um zu packen, da unser Flug (jaja, nobel muss die Welt zu Grunde gehen) nach Cuzco schon um 08.30 war und wir 2 Stunden vorher am Flughafen sein sollten. Ich muss an dieser Stelle mein grosses Lob an Sebnem richten, die wirklich knallhart jeder Shopping-Gelegenheit aus dem Weg geht, damit wir uns dem schnell nähernden Nullstand auf unseren Konti etwas entfliehen können. In Lima wurden wir jedoch schwach und haben uns einige Kleinigkeiten gekauft, wie zum Beispiel Unterhosen, einen neuen Regenschutz und eine kostbare Sonnenbrille. Dazu muss wieder einmal erwähnt werden, dass man in Südamerika eigentlich jeden Monat um ein paar Kleidungsstücke erleichtert wird, ohne dass man gross Einfluss darauf hätte. Vorallem auf Sebnem’s und meine Unterhosen haben es die Leute hier abgesehen. Dabei sind sie natürlich sehr selektiv und behalten nur meine Calida Unterwäsche, die $2 USD Target (eine etwas umstrittene Einkaufkette im südlichen Nordamerika angesiedelt) Unterhosen wollen die hier nicht.

Wir lieben Lima auch wegen der Leute, die wir kennen gelernt haben. Hart arbeitende Hostelmitarbeiter (24h Präsenzzeit sind keine Ausnahmen), die einem wirklich den Aufenthalt so weit wie möglich vereinfachen wollen. So auch Jayme vom K’usillu’s Hostel, in welchem wir uns vor dem Roadtrip aufhielten und welchen wir per Zufall bei der Wäscherei um die Ecke wieder trafen. Er hatte eine riesen Freude uns wieder zu sehen und machte fast Luftsprünge, das obwohl er vermutlich schon 48 Stunden Präsenzzeit im Hostel hatte. Wenn er diesen Laden schmeissen würde, anstatt dem 29-jährigen Semisurfer und Partygott, dem er gehört und welcher immer alle Reservationen per Internet verpasst, dann sähe es ganz anders aus im K’usillu’s. Jedenfalls bot er uns sofort an, ein Taxi für uns um 5.30 Uhr am Morgen zu organisieren, das sicher und zugleich kostengünstig wäre. Gesagt getan, um Punkt 5.30 Uhr stand der Taxifahrer vor unserem Hostel und wartete auf uns; begleitet von Jayme, welcher sich extra die Mühe genommen hat, um uns zu verabschieden und nach dem Rechten zu schauen. Jayme, wie auch viele andere Peruaner, welche wir kennen und schätzen gelernt haben, gehören für uns zum Inbegriff der Freundlichkeit und Offenheit, die dieses Land zu bieten hat.

Am Flughafen wurden wir wieder einmal nett behandelt und mussten (vermutlich weil wir ausreichend gut Spanisch reden und auch immer freundlich sind) nichts für das Surfbrett bezahlen, was ansonsten $11 USD gekostet hätte. Was uns schon ein ziemliches Grauen bereitete, vor allem mir, waren die Horden von Touristen, welche auf dem gleichen Flug nach Cuzco waren. Wir sind bis anhin praktisch frei von Touristen gereist und haben diese meistens in den Ballungszentren der einzelnen Länder gesehen, aber hier unten im Süden Peru scheint es einem fast schon als Pilgerfahrt der Weissstämmigen. Wir können eigentlich nur noch den Kopf schütteln über die verschiedenen Verhaltensweisen der Touristen, welche halt wirklich für ein paar Tausend Dollar nach Peru reisen, nur um Machu Picchu zu sehen. Die Lust darauf ist mir persönlich schon gehörig vergangen und wie es sich dann herausstellte, wurde es in Cuzco nur noch schlimmer – dies aber sparen wir Euch für einen weiteren Bericht aus Cuzco direkt auf.