Wir sind am 22. November 2007 in Boliviens Hauptstadt Sucre, welche sich auf 2790 M.ü.M befindet, angekommen. Auf Robertos Wunsch hin haben wir den Flieger von Santa Cruz aus genommen und sparten uns so eine lange Busfahrt über die hügelige Landschaft. Zu unserem Glück schien die Sonne bei unserer Ankunft. Wieder einmal kamen wir am Flughafen an ohne irgendwelche Pläne gemacht zu haben; so nahmen wir ein Taxi ins Zentrum und fanden mit Hilfe des Taxichauffeurs ein familienbetriebenes Hostel ca. 4 Blöcke vom Hauptplatz entfernt. Das Hostel "Pachamama" ist absolut empfehlenswert (grosse Zimmer, eigenes Bad, warme Dusche, günstiges Frühstück, sehr nette Mitarbeiter) und kostet pro Nacht ca. 10.00 CHF für beide zusammen.
Nach dem Check-In sind wir noch in Sucre herumgelaufen und haben uns die historische "weisse" Stadt näher betrachtet.
Die Stadt ist nicht all zu gross und man findet sich schnell zurecht. Wir sind zudem auf einen Markt mitten in der Stadt gestossen mit riesigen Frucht- und Gemüseständen, Fleischangeboten, etc.
Überall findet man Internetcafés, Bars und Restaurants mit exotischen Menüs. Sucre ist die wichtigste historische Stadt Boliviens; hier wurde auch im Jahre 1825 die Unabhängigkeit Boliviens erklärt. Viele Museen haben in Sucre ihren Standort; wir aber müssen zugeben, dass wir kein einziges davon besucht haben. Vielleicht ergibt sich das irgendwann mal mit dem Alter, dass man "Museumsgänger" wird J. Wir geniessen es mehr durch die Strassen zu schlendern, uns im Park zu erholen und die Leute zu beobachten und zu kritisieren.
Die Stadt selbst ist wiederum ganz anders als La Paz, die Leute, deren Kleidung, die Strassen, die Häuser. Bis anhin waren wir immer der Meinung, dass La Paz die Hauptstadt Boliviens sei, doch wurden wir diesbezüglich eines Besseres belehrt. In La Paz finden sich lediglich die Regierung und die Behörde wider, in Sucre allerdings befindet sich das Obergericht. (Nachlesen in Wikipedia). Sucre ist die konstitutionelle Hauptstadt mit der kompletten Legislative, die Exekutive liegt in La Paz. Dieser Umstand ist logischerweise auch ein Grund für die immer wieder aufkommenden Unruhen in Sucre, welche an diesem Wochenende mit einer heftigen Auseinandersetzung zwischen der Bevölkerung und der Polizei begann.
Wir Wundernassen haben uns natürlich für die Demonstration interessiert und sind deshalb frühmorgens losgewandert Richtung Hauptplatz, wo sich schon einige Hundert lautstarke Demonstranten befanden und mit Parolen gegen Evo Morales (gegenwärtiger umstrittener Präsident von Bolivien, auch weniger liebevoll "Ego Morales" genannt) um sich warfen.
Was anfangs sehr friedlich aussah, endete schlussendlich in einer bitteren Strassenschlacht zwischen hauptsächlich jungen Studenten und der Polizei, welche alsbald nicht mehr zögerte und die jungen steinwerfenden und Dynamit-sprengenden Studenten mit Tränengas bewarf. Wir Unschuldigen, natürlich durch unsere Neugierde selbst schuld, sind da irgendwie hineingeraten (wir wurden auf einmal mit einer Horde sich zurückrennender Demonstranten überrascht, die mit Tränengas angegriffen wurden). Roberto kannte sich mit dem Tränengas bereits aus, ich jedoch wurde das erste Mal mit Tränengas konfrontiert und war doch schockiert, wie sich das im Rachen und in den Augen (zum Glück hatte ich eine Sonnenbrille an) auswirkte. Natürlich machten wir uns sofort davon und machten einen grossen Umweg um die Demonstranten. Auf dem Rückweg zu unserem Hotel wurden wieder Opfer dieser Tränengas-Attacke. Dieses Mal wurden wir richtig damit eingedeckt und natürlich unfreiwillig. Die Leute spuckten nur noch herum und husteten wie wild, die Augen tränten aufs Heftigste. Schlussendlich machten wir einen "riesen-Umweg" um das Zentrum und kamen doch noch heil im Hotel an. Den Leuten schien die ganze Sache sehr Ernst zu sein. Die Schlacht dauerte noch bis spät in die Nacht an. Die Stadt wurde im Zentrum zum Kriegsfeld: brennende Autoreifen (um die Wirkung des Tränengases zu vermindern), wüst zugerichtete junge Leute und wütende und weinende Frauen J, welche aber keine Sekunde zögerten die jungen Leute anzuspornen und gratis mit den nötigen Kampfutensilien (Essig gegen das Tränengas, Mundschutz und Steinschleudern) zu versorgen.
Am Tag danach waren die Zeitungen des Landes voll mit Artikeln wie diesem (Ausschnitte):
Calles de Sucre se convirten en un gran campo de batalla
"Sucre vivio ayer un 'viernes negro' por la represion de la Policia, que no midio nada a lanzar gases lacrimogenos y balines contra cientos y hasta miles de ciudadanos"
"Pero mientras se leian las ultimas conclusiones del cabildo, a las 12:45, la Policia comenzo a reprimir a un grupo de jovenes que se habia dirigido en marcha al Teatro Gran Mariscal. Desde temprano, el control en esa zona era inexplicablemente estricto y con el choque, los efectivos ocuparon momentaneamente el sector. Con gases y golpes echaron del lugar a los manifestantes, pese a la respuesta incresante de estos con piedras. En medio del enfrentamiento, varias granadas fueron dirigidas contra viviendas particulares, provocando temor e indignacion entre sus habitantes. En pocos minutos, la gasificacion se expandio a todas las calles proximas al teatro, donde ciculaba gente de toda edad, lo que llevo a los vecinos a sumarse a la 'batalla', sacando agua en baldes y mangueras para apagar las granadas de gas, mientras los manifestantes encendian fogatas con llantas y todo lo que podian encontrar."
"Jovenes y hombres y mujeres adultos entraban por turno a la 'batalla' con los policias, que estaban bien armados con gases y balines. Mientras el cielo se ennegrecia por los gases y el hollin de las llantas quemadas, la pelea continuaba; la lluvia tambien se sumo y se convirtio en la casual aliada de los manifestantes, apagando los gases de la Policia."
"La noche no trajo la calma. El casco viejo de la ciudad parecia un campo de batalla con piedras, palos y vidrios regados por sus calles, y varios graffitis en contra del Gobierno pintados en edificios."
"Hay mas de 150 heridos. Algunos de ellos recibieron atencion medica por traumatismo encefalo craneano (TEC), otros por politraumatismos y contusiones en el rostro y proximidades de los ojos, y la mayoria por intoxicacion con gas lacrimogeno."
Was ich jedoch fast am Schlimmsten fand, war die Tatsache, dass sich die Zeitungen sehr politisch gaben und sich 100% hinter die jugendlichen Studenten stellten, welche den Hauptanteil der Unruhen verursachten (angefeuert und unterstützt vom Rest der Bevölkerung). Die Zeitungen im Lande liessen es aussehen, als ob die Polizei die Übeltäter waren, obwohl sich diese ganz augenscheinlich (wir waren dabei) ab einem gewissen Punkte wehren musste. Ob die drastische Massnahme mit Tränengas notwendig war, bleibt dahin gestellt (die Diskussion führen wir in der Schweiz am 2. Mai auch ad absurdum), aber wieder einmal haben es die Medien in Bolivien geschafft, die minder Bemittelten und Leute der unteren sozialen Schicht mit gering fundierter Schulausbildung mit ihrer Propaganda zu täuschen. Kein Wunder, die Exekutive sitzt in La Paz und dieser Umstand scheint offensichtlich sogar den meisten Zeitungsverlegern ein Dorn im Auge zu sein. Wieder einmal bin ich froh in einem Land aufgewachsen zu sein, wo die Neutralität und offene Meinungsfreiheit zum obersten Gebot gehört. Den Vorteil mehrere Sprachen ausreichend gut zu beherrschen, erlaubt es mir im Notfall auch Zeitungen aus anderen Ländern als das gerade betroffene zu lesen, um mir eine zweite Meinung zu bilden. In Südamerika wird generell wenig Zeitung gelesen, der Bildungsstand ist wie in Nordamerika in der breiten Masse eher im unteren Segment anzusiedeln (das heisst nicht, dass es nicht einen signifikanten Teil an brillianten Leuten gäbe) und daraus ergeben sich natürlich auch leicht zu steuernde Generationen.
Den Rest der Bilder wie immer hier: